{"id":4366,"date":"2021-03-22T10:41:03","date_gmt":"2021-03-22T09:41:03","guid":{"rendered":"http:\/\/prodenkmal.de.server4.kalayourlife.com\/?p=4366"},"modified":"2023-07-10T18:08:48","modified_gmt":"2023-07-10T16:08:48","slug":"4366","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.prodenkmal.de\/de\/4366\/","title":{"rendered":"Das historische Seegitter von Schloss Seehof"},"content":{"rendered":"\t\t
Das Seegitter<\/strong> aus Schilfsandstein wurde vermutlich zwischen 1771 und 1773 in der Werkst\u00e4tte des ber\u00fchmten Rokokobildhauers Ferdinand Tietz<\/strong> im Rahmen der Neugestaltungsma\u00dfnahmen (1761\u20131773) am Schlosspark Seehof unter F\u00fcrstbischof Adam Friedrich von Seinsheim als Seeuferbalustrade zwischen Park und Seeweiher gefertigt. Das Seegitter steht hinsichtlich der Blickachse und der formenreichen Rocaille-Ornamentik in direkter Beziehung mit der Kaskade von 1771, der heutigen Hauptattraktion des Schlossparks. Flaniert man entlang der Seeweiher, f\u00e4llt einem das Seegitter vor allem aufgrund der beachtlichen L\u00e4nge von knapp 140 m<\/strong> als enormes Kunstwerk auf.<\/p> Im Vergleich beider Seiten des Seegitters bemerkt man den noch sehr gut erhaltenen Zustand der seezugewandten Seite. Wohingegen die parkzugewandte Seite betr\u00e4chtliche Substanzverluste aufweist. Dieses ambivalente Erscheinungsbild des Seegitters findet bereits in der Literatur der 80er Jahre als Beispiel f\u00fcr typisch expositionsbedingte Schadensprozesse<\/strong> Erw\u00e4hnung, das zur selben Zeit im Zuge eines Gro\u00dfpilot-Projekts mittels einem innovativen Verfahren, der Acrylharzvolltr\u00e4nkung<\/strong>, in verwitterter Form konserviert wurde.<\/p> Mit dem Ziel das heutige Verwitterungsverhalten nachzuvollziehen erfolgte 2020 im Rahmen einer Masterarbeit eine eingehende Untersuchung des Seegitters. Hierf\u00fcr wurde eine detaillierte Bestandsaufnahme<\/strong> hinsichtlich markanter Merkmale durchgef\u00fchrt und der Zustand vor der Acrylharzvolltr\u00e4nkung mit dem 2020 zu dokumentierenden Zustand verglichen. Das Erscheinungsbild des Seegitters vor der Konservierungsma\u00dfnahme wurde \u00fcberwiegend von extremer Schalenbildung, also ein f\u00fcr Schilfsandstein typischer Schadensprozess, oder querverlaufende Risse durch den st\u00e4ndigen Feucht-Trocken-Wechsel dominiert. Nach der Acrylharzvolltr\u00e4nkung konstatiert man im Wesentlichen vermehrt sprengartige Rissbildungen zum Teil aufgrund der unvollst\u00e4ndig getr\u00e4nkten Seegitterabschnitte. Allerdings rei\u00dfen ebenso nachweislich vollgetr\u00e4nkte Seegitterabschnitte auf, was bis dato ein noch unerforschtes Ph\u00e4nomen darstellt.<\/p> Wie das Gro\u00dfpilot-Projekt Acrylharzvolltr\u00e4nkung des Seegitters von Schloss Seehof<\/em> abgewickelt wurde, konnte anhand von Interviews der Beteiligten und Archivrecherchen im Rahmen der Masterarbeit rekonstruiert werden:<\/p> Obwohl das Seegitter erst seit 1975 mit dem Erwerb durch den Freistaat Bayern von Schloss Seehof die Obhut des Staatlichen Bauamts Bamberg und dem Bayerischen Landesamt f\u00fcr Denkmalpflege genie\u00dft, birgt das Seegitter eine sehr ereignisreiche Restaurierungsgeschichte. 1975 befand sich das Seegitter, neben der wertvollen Gartenskulpturen und Kaskade, in einem alarmierend schlechten Zustand, welches einer dringenden Notsicherung mithilfe von abschnittsweiser Holzkonstruktionen und Lochbausteinen zur Standsicherheit bedurfte.<\/p> Angesichts des fortw\u00e4hrend zerfallenden Zustands wurden in den Folgejahren hinsichtlich einer notwendigen Restaurierung des Seegitters mehrere Probefl\u00e4chen angelegt, die die Anfertigung von Abg\u00fcssen aus zwei unterschiedlichen Zusammensetzungen und zwei verschiedenartige Konservierungsmethoden beinhaltete.\u00a0 Das Resultat der Probefl\u00e4chen ergab zum einen, dass die Behandlung mit Kiesels\u00e4ureester als konservierende Ma\u00dfnahme am Seegitter nicht funktionierte und zum anderen, dass die Anfertigung von Abg\u00fcssen zwar m\u00f6glich sei, aber kein Platz f\u00fcr derart viele Originale in deren Gr\u00f6\u00dfenordnung zur Verf\u00fcgung stehe. Unter den Probefl\u00e4chen befand sich auch ein Probest\u00fcck, das mit Acrylharz getr\u00e4nkt wurde. Mit diesem Konservierungsverfahren verfolgte man das Ziel s\u00e4mtliche Porenr\u00e4ume im Naturstein mit Acrylharz zu f\u00fcllen, um das Eindringen von sch\u00e4digendem Wasser oder Schadstoffen zu unterbinden.<\/p> Aufgrund der erfolgreichen Tr\u00e4nkung und der Tatsache, dass das Probest\u00fcck auch nach mehreren Monaten Exposition keine weiteren Sch\u00e4den aufwies, zog man das Verfahren in Erw\u00e4gung und veranstaltete 1977 ein Kolloquium \u00fcber das Acrylharzvolltr\u00e4nkungsverfahren. Trotz der in der Diskussion aufgef\u00fchrten Gegenargumente der Irreversibilit\u00e4t und Materialit\u00e4tsver\u00e4nderung, entschied man sich aufgrund der bisher positiven Ergebnisse und Erfahrungen f\u00fcr das Verfahren.\u00a0 Neben der ausgeschlossenen Alternative, Abg\u00fcsse des Seegitters zu fertigen, forcierten die Erhaltung des Originals mit all seinen Verwitterungsspuren die denkpflegerische Entscheidung. Nach dem Kolloquium startete das \u201aPilotprojekt\u2018 1978 mit dem Baubeginn der Tr\u00e4nkungsanlage auf Schloss Seehof.\u00a0 Im zweiten Halbjahr 1981 fand schlie\u00dflich die Tr\u00e4nkung statt. M\u00fcrbe Bereiche des Seegitters wurden vor der Tr\u00e4nkung mittels Epoxidharzes gefestigt und jedes einzelne Feld ein bis zwei Tage getrocknet. Nach der Tr\u00e4nkung und nachfolgender Nachreinigung eines Werkst\u00fccks konnten die Br\u00fcstungsfelder wieder an dessen urspr\u00fcnglichen Stelle versetzt werden.<\/p> Kurz nach Beginn der Tr\u00e4nkungsphase, bemerkte man, dass ein St\u00fcck des Seegitters nicht ausreichend gefestigt wurde und durch eine dunklere Steinoberfl\u00e4che und zus\u00e4tzlich fleckige Bereiche besonders auffiel. Daraufhin wurde der Vorgang zun\u00e4chst eingestellt, um das Verfahren mittels mehreren Probereihen zu optimieren.\u00a0 Dabei konnte der Zusammenhang zwischen einer Fehltr\u00e4nkung und einer zu geringen Viskosit\u00e4t des Tr\u00e4nkungsmaterials hergestellt werden. Nach einer zweimonatigen Unterbrechung und Anpassung der MMA-Viskosit\u00e4t konnte die Tr\u00e4nkungsma\u00dfnahme schlie\u00dflich weitergef\u00fchrt werden.<\/p> Leider stellte man kurz nach Abnahme der Konservierungsma\u00dfnahme vor allem bei Pfeilern erste Risse fest, die nicht der Steintextur, sondern der Konservierung zuzuordnen waren. Wenige Jahre sp\u00e4ter waren derartige Risse im zunehmenden Ma\u00dfe zu beobachten. M\u00e4rz 1985 erkannte man, dass sich die bereits identifizierten Risse inzwischen ausgeweitet hatten und sich diese ausschlie\u00dflich an Pfeilern und Abdeckplatten zeigten. Zus\u00e4tzlich waren an verschiedenen Pfeilern ganze Partien abgesprengt, die nach einer gefestigten, 2 bis 3 cm starken Au\u00dfenschicht einen m\u00fcrben Kern zum Vorschein brachten. In diesem Zusammenhang wurde folglich festgestellt, dass Teile mehrerer Br\u00fcstungsfelder aufgrund zu kurzer Vortrocknungszeit nicht vollst\u00e4ndig getr\u00e4nkt wurden.\u00a0 Nachtr\u00e4gliche Restaurierungen blieben ohne Erfolg, und in Anbetracht der zus\u00e4tzlich schlechten Erfahrungen mit Abg\u00fcssen, entschied man sich im selben Jahr f\u00fcr die Nachtr\u00e4nkung eines Musterpfeilers. Da das Ergebnis des ersten Musterpfeilers zufriedenstellend war, folgte 1986 die Nachtr\u00e4nkung weiterer Pfeiler und Br\u00fcstungsfelder des Seegitters. Im Zeitraum zwischen 1986 und 1989 traten abermals Risse an unvollst\u00e4ndig getr\u00e4nkten Seegitterabschnitten auf, welche mittels Injektagen verf\u00fcllt und mit epoxidharzgebundenem M\u00f6rtel gekittet wurden.\u00a0 Nachdem weitere Sch\u00e4den trotz Nachtr\u00e4nkung auftraten und die Reparaturma\u00dfnahmen der Folgesch\u00e4den nicht wirkten, entschied man sich 1989 Abg\u00fcsse von insgesamt drei Pfeilern anzufertigen.<\/p> In den darauffolgenden Jahren wurden trotz der sehr aufwendigen Konservierungsma\u00dfnahme immer wieder neu auftretende Sch\u00e4den, wie gel\u00f6ste Kittungen, defekte Fugen, Verschiebung von Werkst\u00fccken, horizontal und vertikal gerissene Abdeckplatten sowie erhebliche Substanzverluste in Form von abgescherten Bruchst\u00fccken aufgrund extremer Rissbildung beobachtet. Zusammengefasst hat sich das Verwitterungsverhalten des Seegitters somit von der extremen Schalenbildung an der wetterabgewandten Seite hin zu konzentrierten Rissbildungen verlagert. Demzufolge ist aufgrund fortschreitender Verwitterungsprozesse in Zukunft ein progressiver Materialverlust von Bruchst\u00fccken und Schalen an vermeintlich konservierten Seegitter zu erwarten, sodass ein dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Sicherung von gestalterischen Formteilen und wertvollen Oberfl\u00e4chen besteht. Ohne Acrylharzvolltr\u00e4nkung und minuzi\u00f6ser Ausarbeitung konservatorischer Restaurierungen im Rahmen des Gro\u00dfpilot-Projekts h\u00e4tte allerdings der \u201aschleichende\u2018 Verwitterungsprozess der Schalenbildung im Gegensatz zu vereinzelten Ausbr\u00fcchen einen ebenfalls rasch fortschreitenden und weitaus gro\u00dffl\u00e4chigeren Materialverlust verursacht, wodurch das Seegitter im heutigen Zustand mit Sicherheit nicht mehr vorzufinden w\u00e4re.<\/p>\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/section>\n\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Untersuchungen im Rahmen einer Masterarbeit<\/p>\n","protected":false},"author":3,"featured_media":4373,"comment_status":"closed","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[1,9],"tags":[],"yoast_head":"\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\t\n\t\n\n\n\t\n\t\n\t\n<\/p>
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